Das Theaterstück für 2017
Die bayerische Komödie: Ratsch und Tratsch von Peter Landstorfer
Regie: Monika Rechl
Allzumenschliches auf der Ameranger Theaterbühne
Lustiges Stück mit ernstem Hintergrund bei der Theatergemeinschaft Amerang
In die diesjährige Spielsaison ging die Theatergemeinschaft Amerang mit einem lustigen Stück mit ernstem Hintergrund. So komisch die gezeigten Situationen waren – des Öfteren wusste man als Zuschauer nicht so genau, ob man lachen soll oder entsetzt sein über die große Bereitschaft der „christlichen Dorfgemeinschaft“ zur Vorverurteilung eines ihrer Mitbürger. „Ratsch und Tratsch“ von Peter Landstorfer ist eine Satire im Gewande des Volksstücks, es geht um nicht ganz unbekannte menschliche Verhaltensweisen.
Die Dorfgemeinschaft wird eigentlich als überschaubar, ja fast idyllisch dargestellt – es gibt während der gesamten Aufführung nur einen Schauplatz, den Dorfplatz mit Wirt, Kramer und einem großen Bauernhof. Doch augenscheinlich lauert in der Idylle das Potential für Konflikte: Der Bauer dort hat eingeheiratet, wird von den Einheimischen immer noch als Außenstehender angesehen und nun zum Gegenstand des sich immer mehr steigernden Dorfklatsches, der schließlich zur Lawine ausartet.
Man kann das Stück als eine Mahnung an die Zuschauer verstehen, Vorurteile auf den Prüfstand zu stellen, doch tat das dem Vergnügen keinen Abbruch, die Dorfbewohner beim Aufkochen der aberwitzigsten Gerüchteküche zu beobachten, zumal die Ameranger Theaterspieler und –spielerinnen den Ton sehr genau trafen, mit dem unscheinbare Tatbestände zu großen Vergehen aufgebauscht werden. Unter der Spielleitung von Monika Rechl gestalteten Karina Köhldorfner als Kramerin, Birgit Strasser als Ober-Dorfratschen, Karl-Heinz Voit als Wirt, Rupert Huber als Postbote, Maria Scalise und Leonhard Fischbacher als Totengräber-Ehepaar die Figuren der Alles- und Besser-Wisser, der über ihre eigenen Erfindungen moralisch Entrüsteten genüsslich aus. Johanna Oberbauer als Bedienung Burgl setzte ihnen als einzige ganz vorsichtig die Stimme der Vernunft entgegen. Die Leidtragenden des Treibens, Bauer und Bäuerin Erbhofer, wurden überzeugend dargestellt von Anton Neubauer und Monika Rechl – die kurzfristig selbst als Schauspielerin einspringen musste.
Ratsch und Tratsch höchstpersönlich
Unterhaltsam wird die dörfliche Gerüchteküche aber vor allem durch den Kunstgriff des Autors, Ratsch und Tratsch höchstpersönlich auftreten zu lassen, als böse Geister aus einer anderen Welt, die ungeheuren Spaß daran haben, größten Verdruss zu verursachen, und die das Publikum in ihre Methoden auch einweihen, beispielsweise wie man aus ein paar verlorenen Münzen einen ganzen Bankrott fabrizieren kann. Wobei sich die beiden Störenfriede gar nicht so sehr anstrengen müssen, nur die in den meisten Menschen angelegten Eigenschaften ausnutzen. Michael und Adrian Oberbauer beeindruckten in diesen Paraderollen mit Spielfreude, Spielwitz und spielerischer Leichtigkeit. Wenn sie wie die Schachterlteufel auf der Bühne umeinander hüpften, während sie das Geschehen auf ihre Weise interpretierten, fiel es den Zuschauern leicht, ihre Koboldsnatur zu erkennen.
Und wenn sich die Zuschauer genügend amüsiert haben, wird es wieder ernst. Moritatensänger Udo Schwarz vermittelte eindringlich die „Moral von der Geschicht“ – im Übrigen eine Einfügung der Ameranger Theatertruppe, die auch sonst ihre eigenen Zutaten hatte mit viel Liebe zum technischen Detail: Das atmosphärisch dichte Bühnenbild, wie immer von Cordula Türk entworfen, Tauben an Marionettenfäden, rot-grüne Beleuchtung bei den Auftritten von Ratsch und Tratsch…
Inge Graichen